125 Jahre Stromversorgung
SWRO informiert / 03.11.2021

125 Jahre Stromversorgung

Seit 1896 in Rosenheim

1896 ist es kalt und dunkel in den Zimmern und Wohnungen der Rosenheimer. Mit Kerzen und Petroleumleuchten wurde Licht gemacht. Feuerstellen wurden genutzt, um zu kochen und die Räume zu erwärmen. Gebadet wurde im damaligen Kaiserbad oder in der städtischen Schwimm- und Badeanstalt. Die Wege waren nur selten befestigt und Straßenlaternen gab es nur wenige – heute kaum noch vorstellbar.

Das 1896 fertiggestellte Wasser- und Dampfkraftwerk in Rosenheim

Rosenheim geht ein Licht auf

Ende 1896 – heute vor 125 Jahren – wurde das Wasserkraftwerk Oberwöhr in Betrieb genommen.

Nachdem die Arbeiten abgeschlossen wurden, startete die Stromversorgung und versorgte erstmals die Rosenheimer Bürger mit Strom. Der Kostenaufwand lag bei ca. 1,3 Millionen Reichsmark. Es ist dabei bis heute eine der wichtigsten technischen Errungenschaften in der Geschichte Rosenheims und legt den Grundstein für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung und auch die Steigerung der Lebensqualität der Rosenheimer Bürger.

Ein Beleg dafür, wie zufrieden die Bürger über diese Neuentwicklung und den Fortschritt in Rosenheim waren ist dieser Leserbrief von 1896: „Am letzten Samstag Abend 6 Uhr waren die Bewohner, der bereits an das Elektrizitätswerk angeschlossenen Käufer und Wohnungen durch die erste Beleuchtungsprobe überrascht. Alle Erwartungen wurden weit übertroffen. Man hört allgemeines Staunen und nur ein Lob über das herrliche und reichliche Licht, welches die Glühlampen spenden. Auch sieht man, daß die Kosten der PrivatAnlage sowie für den Strom in einem sehr annehmbaren Verhältnis stehen.“

 

Das industrielle Zeitalter lässt Rosenheim erblühen

Mit dem neuen Standard wurden Erweiterungen zwangsläufig. Der Bahnhof, ein Knotenpunkt in Rosenheim sollte ebenfalls mit Beleuchtung ausgestattet werden, daher wurde das Elektrizitätswerk 1900 erweitert um den Bedarf zu decken.

Im Jahr 1900 war Rosenheim mit 14.000 Einwohnern bereits nach München und Ingolstadt die drittgrößte Stadt in Oberbayern. 1901 wird Stromversorgung für knapp 500 private, öffentliche und gewerbliche Anschlüsse geboten. Immer mehr Industriebetriebe siedeln sich an. Die innovative Infrastruktur Rosenheim macht das möglich. So waren 1907 bereits 2000 Arbeiter in den Betrieben beschäftigt.

Da wundert es nicht, dass 1910 die Leitzachwerke und später die Oberbayerische Überlandzentrale das Elektrizitätswerk in ihre Verwaltung bringen wollten. Die Stadtväter prüften das sehr genau und lehnten aber wegen der Pachtsummen, Pachtzeit, der Sicherstellung der Pensionsansprüche der Angestellten bei Übernahme, Verwaltungskosten und anderes mehr ab.

Arbeiter während der Verlegung der 5 kV Leitung am Mangfalldamm

Neue Verbindung für Kolbermoor

Um die Sicherheit der Stromversorgung zu verbessern, verlegte man 1922 zwei 5 kV Verbindungsleitungen zum Elektrizitätswerk in Kolbermoor. Der bis heute gültige Beschluss Nr. 1022 vom 28.02.1927 zur wasserrechtlichen Nutzung der Stadt wurde aufgesetzt. Gleichzeitig wurde ein Vorschlag zur Erweiterung des Elektrizitätswerkes von Zivil Ing. Hallinger gemacht, da vermehrt Niederwasser den Strom sehr knapp werden ließ, dieser wurde im Jahr 1932 abgelehnt, da ein Fremdbezug günstiger war. Der Strom ist nun nicht mehr wegzudenken. Die Industrie, der Verkehr und die Bürger benötigen diesen wie ihr tägliches Wasser und Brot. Der Fortschritt ist unaufhaltsam und geht über die Stadtgrenzen hinaus.

Bereits 1927 wird die Bahnstrecke München–Rosenheim elektrifiziert. Es wird nötig, den Strommarkt nun über Satzungen und Gesetze zu regeln. So tritt 1934 die Satzung über die Lieferung elektrischen Stromes, über Stromtarife und Gebühren sowie über Anschlussbedingungen im Versorgungsgebiet des städtischen Elektrizitätswerkes Rosenheim ab 01.04.1934 in Kraft. Ab 1935 werden öffentliche Zuschüsse genehmigt, um Umbauten, Anschaffungen und Erweiterungen zu realisieren.

Die Wirtschaftswunder-Zeit

Der wirtschaftliche Aufschwung bedarf eines stetig steigenden Strombedarfs und erfordert ein neues Schalthaus, das neben dem Wasserkraftwerk in Oberwöhr errichtet wird und der Abwicklung des Fremdstrombezuges von den Isar Amperwerken dient.

In den Folgejahren steigt der Strombedarf stetig weiter, sodass folglich ein weiteres Schalthaus „Am Anger“, hinter dem Sparkassen Hochhaus, entsteht. Am 16. Dezember 1955 liefert das Heizkraftwerk erstmals Dampf an die Firma Gervais (heute: Danone). Vorausgegangen war eine Untersuchung, den steigenden Strombedarf auch weiterhin im Wege der Eigenerzeugung abzudecken und die ungünstige energiewirtschaftliche Situation mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu verbessern. KWK bedeutet, dass sowohl die Strom-Energie als auch die Wärmeenergie gewonnen wird und so sehr effizient gearbeitet wird. Bereits 1961 war eine beträchtliche Erweiterung des Werkes notwendig, da die Zahl der Wärmeabnehmer von 20 auf 91 gestiegen ist. Mit dem Heizkraftwerk wird eine moderne Müllverbrennungsanlage gekoppelt, die derzeit im Bau ist.

Bau des Müllheizkraftwerks mit dem fertiggestellten Kamin im Jahr 1963

Rosenheim wird größer und ein wichtiger Standort

In den 60ger Jahren zählte die Stadt Rosenheim über 31.000 Einwohner. Die Industrialisierung und gute Entwicklung der Stadt zogen mehr und mehr Menschen an. Dadurch stieg nicht nur der Strombedarf, auch gab es immer mehr Müll. Um die Deponien zu entlasten, beschloss man den Bau einer Müllverbrennungsanlage.

Nach zwei Jahren Bauzeit wurde die Anlage 1964 fertiggestellt. Dadurch konnte das Müllproblem von vollen Mülldeponien beseitigt werden. Die Müllverbrennungsanlage wurde von der Stadt Rosenheim finanziert und kostete fast 3 Millionen Mark. Man nutze den Synergieeffekt mit dem Heizkraftwerk aus und schloss die beiden Anlagen zusammen. Dadurch konnte die freigesetzte Energie des verbrannten Mülls in der Heizkraftanlage genutzt und in Strom und Wärme umgewandelt werden. Es wurden dabei jeden Tag zwischen 15 und 20 Kubikmeter Müll verbrannt. Die Müllfahrzeuge hatten dabei eine Gebühr von 7,50 Mark zu zahlen. Jede Menge Haushalts- und Sperrmüll, sowie Gewerbemüll aus Rosenheim und der Region werden jährlich zu Strom verwertet. Dadurch werden ca. 1/3 des Rosenheimer Bedarfs gedeckt Wärme wird ebenso verwendet (Jede Tonne Müll ersetzt 250 l Heizöl bzw. 250 Kubikmeter Erdgas). Das Werk war damals ein Musterbeispiel für ein Müllheizkraftwerk für Städte vergleichbarer Größe. Instandsetzung- und Wartungsarbeiten am Wasserkraftwerk wurden ebenso notwendig. Ein Saugheber wurde 1964 installiert. Dieser verhindert ein unkontrolliertes Ansteigen des Wasserpegels im Oberwasserkanal, z. B. nach starken Regenfällen. Die Stadtwerke Rosenheim wuchsen mit der Stadt und ihren Aufgaben. Daher wurde 1966 der Bau eines zentralen Betriebs- und Verwaltungsgebäudes beschlossen und im Jahr 1968 abgeschlossen.

Traditioneller und nachhaltiger Strom für 2.400 Haushalte

Die beiden Generatoren, die bereits seit 100 Jahren in Betrieb sind, erzielen zusammen eine Leistung von bis zu 1.200 Kilowatt.

Das reicht aus, um Strom für 2.400 Rosenheimer Haushalte zu produzieren. Damit leistet das Kraftwerk mittlerweile zwar nur noch einen vergleichsweise kleinen Beitrag zur lokalen Stromversorgung – schließlich ist der Energieverbrauch in der Vergangenheit stetig gestiegen. Doch die Anlage am Mangfallkanal hat einen großen symbolischen Wert: Sie zeigt, dass es den Rosenheimern schon im vorletzten Jahrhundert sehr wichtig war, ihren Strom selbst vor Ort zu erzeugen. Diese Tradition schreiben die Stadtwerke Rosenheim heute mit ihrem Energiekonzept fort.

Wasserkraftwerk/Elektrizitätswerk in Oberwöhr im Jahr 2021

2021 - Sauberer Wasserstrom mit langer Geschichte - stetig & planbar

Dank des Wasserkraftwerks Oberwöhr war Rosenheim eine der ersten Städte Bayerns, die mit Strom versorgt wurde.

Die frühe Elektrifizierung verbesserte nicht nur die Lebensqualität in Rosenheim – auch die heimische Wirtschaft profitierte von der Energie, die ihr zuverlässig rund um die Uhr zur Verfügung stand. Bis zum Bau des Heizkraftwerks in den 1950er-Jahren war die Anlage am Mangfallkanal Rosenheims wichtigste lokale Stromquelle. Im Laufe der Zeit wurde das Wasserkraftwerk immer wieder modernisiert, um Leistung und Erträge zu verbessern.

Seit 30 Jahren steht die Anlage unter Denkmalschutz. Mit gutem Grund: Sie gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen der bayerischen Industriegeschichte. Gegenüber der Wind- und Solarenergie hat die Wasserkraft einen entscheidenden Vorteil: Sie liefert stetig und planbar Strom.

Auch wenn die Leistung des Oberwöhrer Wasserkraftwerks von der Menge des Wassers abhängt, das der Mangfallkanal führt, sind die Erträge doch deutlich berechenbarer als die von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen. Damit ist die Wasserkraft eine wichtige Säule bei der Stabilisierung der Energieversorgung. Neben dem Wasserkraftwerk Oberwöhr am Mangfallkanal sind im Rosenheimer Stadtgebiet sechs weitere, jedoch deutlich kleinere Anlagen in Betrieb. Zusammen erzielen sie eine Leistung von bis zu 700 Kilowatt.